Warum deine kreative Vision immer wieder aufgetankt werden muss.

Ich liege in der Badewanne und nehme ein spritziges Visionsbad

Als ich merkte, dass meine Zweifel immer dann auftauchen, wenn ich meine kreative Vision nicht mehr spüre,, da  dachte ich, der Rest wäre easy: Einfach ein wiederbelebendes Visions-Bad nehmen und schon ist alles wieder gut.

Aber so einfach war es dann doch nicht. Denn die Flasche mit der Visions-Bade-Essenz schien immer genau dann leer zu sein, wenn ich sie am allerdollsten brauchte. Ich würde mir da also selber was zusammenbrauen müssen. Das Problem war nur, dass ich, einmal in der Zweifelwolke gefangen, nur noch Zweifel im Kopf zu haben schien. Und aus Zweifeln lässt sich nur schwer ein erquickendes und revitalisierendes Tonikum herstellen.

Meine Vision sah aus der Wolke heraus auch  gar nicht mehr toll aus. Sie wirkte blass und fadenscheinig. Eher wie eine Fata Morgana, die beim Näherkommen zerfallen würde, als wie ein funkelndes inneres Ziel. Wie konnte ich eine Vision wiederbeleben, an die ich in dem Moment gar nicht mehr glaubte?

Die Zeichnerin mit einer Waschmaschine im Kopf die mit dem falschen Programm läuft "Error"

Aber warum war es dann in anderen Momenten so einfach, wieder an meine kreative Vision zu glauben?  Ich hatte das ja schon oft erlebt, wie sich die Zweifelwolke von einer Sekunde auf die andere auch wieder verziehen kann und Vision und Begeisterung ganz plötzlich wieder da sind. Es war, als wäre die Vision gar nicht wirklich weg gewesen, sondern nur nicht sichtbar. Als wäre der Teil meines Hirns, der für Visionen zuständig ist,  manchmal benebelt. Oder als hätte wäre mein Hirn in ein falsches Programm gerutscht, mit dem Visionen nicht zu erkennen sind.

Erst kam mir dieser Gedanke albern vor. Quatsch, es gibt doch keine Programme im Hirn? Aber dann fiel mir ein, was ich so alles über Kreativität und das Hirn weiß. Und doch: Es gibt wirklich verschiedene Programme in unserem Gehirn 

Das Visionsprogramm

Durch meine Arbeit als Lerntherapeutin habe ich mich viel damit beschäftigt, was im Gehirn beim Lernen und Arbeiten vor sich geht. Und gerade erst hatte ich eine sehr spannendes Buch gelesen, in dem Forschungsergebnisse zum Gehirn von Legasthenikern beschrieben wurden. Und da Legastheniker sehr kreativ sind und stark divergent denken, sind viele der in diesem Buch beschriebenen Studien auch für andere Kreative interessant.

Pfeil zeigt auf die rechte Hirnhälfte der Zeichnerin: Da lebt die Vision. Pfeil zur linken Hirnhälfte mit Text: Da nicht.

In diesem Zusammenhang hier ist vor allem das wichtig: Visionen sind eine Angelegenheit des divergenten Denkens, grob gesagt also der Prozesse, die in der rechten Hirnhälfte stattfinden. Die linke Hirnhälfte kann vieles, aber Kreativität nicht. Und Visionen eben auch nicht.

Das konvergente Denken kann Fakten und Analysen, kann Pünktlichkeit und Objektivität. Aber es kann sich nur vorstellen, was es schon mal gesehen oder gehört hat. Es kann das bestehende Wissen sortieren, bewerten und ordnen, alles sehr praktisch. Aber es kann eben nicht weiter denken als das, was schon besteht. Während das divergente Denken genau hier seine Stärken hat: Visionen entwickeln, Neues erfinden, Geschichten erzählen, Trends vorhersagen.

Die beiden Programme in unserem Gehirn sind das konvergente und das divergente Denken. Paivio hat das auch tatsächlich "Double Coding" genannt - also quasi die zwei Programmiersprachen in unserem Hirn. Die nicht immer gut zusammenarbeiten :-).

Wenn ich Probleme mit meiner Vision habe, dann bin ich tatsächlich im verkehrten Modus unterwegs. Bin im Zweifelmodus des konvergenten Denkens gelandet. Denn darin glänzt die linke Hirnhälfte: Kritikpunkte finden, an allem zweifeln, was nicht bewiesen ist, an allem zweifeln, was sie nicht mit eigenen Ohren gehört oder mit den eigenen Augen gesehen hat. In diesem Modus bin ich blind für meine eigene Vision!


Divergente Denker in einer konvergenten Welt

Warum bleibe ich dann nicht einfach die meiste Zeit in der rechten Hirnhälfte? Das wäre doch leichter für die kreative Arbeit?

Weil unsere Welt so unglaublich konvergent ist, dass es sehr schwer ist, nicht immer wieder aus dem kreativen Modus raus zu fallen. Wenn Pünktlichkeit und Ordnung mehr zählen als kreative Lösungen, dann versucht das Denken eben, auf den Wegen zu bleiben. Wenn wir alles, was wir tun, danach beurteilen, ob es sich verkaufen lässt, können wir gar nicht ins kreative divergente Hirn wechseln.

Denn wenn ich etwas tun will, das sich garantiert verkaufen lässt, dann muss ich etwas kopieren, das es schon gibt. Nur dann habe ich eine Garantie, dass das Produkt meiner Anstrengung "etwas wird". Und wenn ich so denke, dann kann auch die tollste, schillerndste Vision von etwas Neuem nicht bestehen. Denn mein konvergentes Mäkelhirn wird immer etwas finden, das daran nicht "in Ordnung" ist. Nicht so ist, wie die schon bestehenden Dinge. Mein konvergentes Hirn findet alles, was von der Norm abweicht, suspekt.

Und jetzt wird meine rechte Hirnhälfte langsam unruhig. Ist ja schön und gut als das Wissenschaftszeugs. Aber wie krieg ich Nathalie dazu, dass sie ihre kreative Vision wieder spürt? Kitzeln hilft nicht, zwicken auch nicht, alles schon probiert.

Aber meine rechte Hirnhälfte wäre nicht die rechte, wenn sie nicht gleich ein paar Ideen produzieren würde, Denn das kann sie: Aus einem klitzekleinen Ansatzpunkt so viel wie möglich Ideen erzeugen. Gib ihr ein Problem und sie sprüht nur so vor Lösungen. Und Geschichten. Und kreativen Visionen.

Und plötzlich hatte ich da so eine Vision: Ich brauchte etwas, womit ich meine Vision so festhalten konnte, dass ich sie auch im Zweifelmodus erkennen konnte. Womit ich eine schlapp gewordene Vision wieder auftanken konnte. Ich brauche eine Visions-Tankstelle. Mit Super-Visionskraftstoff. 

Super-Kraftstoff für deine kreative Vision

Und als ich meiner Vision so zuhörte (mit der rechten Hirnhälfte natürlich, also mit dem linken Ohr), da wurde mir gleich noch etwas anderes klar: Meine Vision ist einer der beiden Motoren, die mein kreatives Raumschiff vorwärts treiben.

Illustration: An der Visions-Tankstelle auftanken. Ein Schlauch führt von der Tankstelle in den Kopf der Kreativen. Die ruft: "Volltanken bitte!".

Und wenn meine Vision ein Motor ist, dann braucht sie auch Sprit. Alles sehr logisch und wissenschaftlich. Und sogar für meine linke Hirnhälfte sehr verständlich. Die hat sich allerdings gleich in die Bibliothek verzogen, um nach erprobten Zusammensetzungen für Raumschiff-Kraftstoffe zu suchen. Ich hoffe sie bleibt noch eine Weile dort, dann kann ich inzwischen meinen eigenen Kraftstoff brauen. 

Denn ich weiß, dass nichts was meine linke Hirnhälfte produziert, meiner Vision auf die Sprünge helfen kann. Ich brauche einen Kraftstoff, der speziell für meine rechte Hirnhälfte entwickelt ist. Damit er auch dann wirkt, wenn ich mit meinem Raumschiff in der kreativen Galaxie unterwegs bin. Und dafür sorgt, dass die Zweifel mich gar nicht erst in ihre Wolke reinziehen können.

Da brodelt was... Was die rechte Hirnhälfte mag und braucht und was du für deinen Visions-Kraftstoff brauchst, erzähle ich beim nächsten mal. Aber falls du gerade eine kreative Vision hast, eine neue Idee, die in dir kribbelt oder am Horizont funkelt, dann nimm dir doch ein bisschen Zeit, ihr nachzuspüren. Wo kribbelt es? Was funkelt da genau? Wie fühlst du dich, wenn du an das fertige Produkt/ Projekt / Buch denkst? Erkunde deine Begeisterung - sie ist eine wichtige Zutat für deinen Kraftstoff. 

Illustration: Kreative rührt den Topf mit dem  Zaubertranktopf
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Zimmermänner machen keine Haustüren und andere Irrtümer

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Der Super-Kraftstoff für eine haltbare Vision